Olivia, ich fange mit Ihnen an. Ihre Figur sagt im Film, dass man das Leben selbst in die Hand nehmen muss. Ich stimme dem absolut zu. Wie machen Sie Ihr Wunschleben zur Realität?
Olivia Colman: Ich schätze mich glücklich, weil ich nur in einer Sache gut bin. Ich wäre eine furchtbare Sekretärin oder Kellnerin.
Sam Mendes: Kannst du gut putzen? Wärst du eine gute Putzfrau (lacht)?
Olivia Colman: Ich bin tatsächlich gut im Putzen.
Sam Mendes: Es gäbe also eine Alternative (lacht).
Olivia Colman: Ich habe viele Kollegen, die in den verschiedensten Sachen gut sind. Einige davon haben nicht mit der Schauspielerei weitergemacht. Aber ich kann nichts anderes tun. Ich musste mir diesen Job erkämpfen, weil ich mit den Alternativen nicht glücklich gewesen wäre, da ich sie nicht gut meistern würde.
Sam Mendes: Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Schauspielern, die früh erfolgreich wurden, und denjenigen, die sich den Erfolg über die Jahre erarbeitet haben und erleben mussten, wie niemand mit ihnen arbeiten wollte.
Olivia Colman: Das musste ich auch (lacht).
Sam Mendes: Und du hast dich durchgeschlagen. Gab es Momente, in denen zu dachtest, du würdest das Falsche tun?
Olivia Colman: Nein.
Sam Mendes: Du wusstest, du kannst es.
Olivia Colman: Ich wusste insgeheim, dass ich es schaffe. Zu Beginn meiner Karriere habe ich in Pubs bei Theaterstücken mitgespielt. Wenn ich das für den Rest meines Lebens hätte tun müssen, wäre ich genauso zufrieden gewesen wie jetzt, weil ich als Schauspielerin hätte arbeiten dürfen. Es ist trotzdem schön, meine Miete mit weniger Bedenken zahlen zu können. Tut mir leid, ich bin etwas vom Thema abgekommen.
Nein, das war brillant. Sam, Stephen glaubt im Film, dass es sinnlos ist, seinem Traum nachzugehen, nachdem er zurückgewiesen wurde. Hilary sagt ihm, dass er nicht aufgeben soll. Was motiviert Sie, wenn sie abgewiesen werden?
Sam Mendes: Ich tendiere dazu, keinen Wert auf Erfolg zu legen. Beim Arbeiten merkt man, dass die allgemeinen Kriterien dafür, ob etwas gut oder schlecht ist, schnell in den Hintergrund geraten. Man bildet sich eine eigene Meinung. Ich habe immer ein nächstes Projekt im Kopf, sodass mir bewusst ist, dass das Leben nach dem Jetzigen weitergeht. Ich lege meinen Fokus nicht auf dieses einzelne Ding. Wenn man das macht, kann es schwer sein, sich wiederzufinden.
Olivia Colman: Genau dasselbe tue ich auch. Ich schmiede mir Pläne für später und betrachte meine Castings als Zwischending.
Sam Mendes: Das ist clever.
Olivia Colman: Das hilft echt. Ich rieche dann nicht nach Verzweiflung.
Sam Mendes: Sonst hat man versagt und ist trotzdem verzweifelt (lacht).
Olivia, eine letzte Frage an Sie. Ihre Figur erzählt eine Geschichte über Fischen und Scham. Ich muss ehrlich sein, die Story hat mich an mich selbst erinnert. Der Film zeigt perfekt auf, dass wir uns nicht dafür schämen sollten, «Nein» zu sagen, nachzufragen oder Gefühle zu äussern. Wie schaffen Sie es, dass Scham in Ihrem Leben nichts zu sagen hat?
Olivia Colman: Das ist schwer. Ich glaube, ich bin nicht die beste Person, um diese Frage zu beantworten. Ich habe ständig Angst davor, andere zu verärgern. Wenn ich diese Emotion besser im Griff hätte, würde ich mir weniger den Kopf darüber zerbrechen. Scham ist ein furchtbares Gefühl. Ich möchte es allen recht machen. Aber das ist nicht Scham, das ist etwas anderes. Ich weiss es nicht.
Sam Mendes: Im Kontext des Films geht es darum zuzugeben, dass man sich für das eigene Verhalten schämt oder dass man sich bewusst ist, dass man Scham mit sich trägt. Kann man dann wieder in die Welt treten, wenn man weiss, dass Leute gewisse Dinge über einen gesagt haben? Das ist etwas, womit Schauspieler ständig Leben müssen. Sie werden ständig verurteilt. Nicht nur für ihre Performances, sondern für ihr Aussehen und ihre Kleider. Sie müssen am nächsten Tag trotzdem raus in die Welt. Schauspieler generell können gut damit umgehen. Es ist überraschend, wie schwer sowas ist. Ich denke, die Schauspielerei ist der einfache Teil ihres Jobs.
Olivia Colman: Es ist bei Weitem das Beste daran.
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