Die Misswahl - Der Beginn einer Revolution

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Drama

Interview: Mathilde Bernard

Keira Knightley: «Als hübsches Mädchen wird man für dumm gehalten»

Der Film thematisiert die Beurteilung der Frauen nach ihrem Äusseren. Es gibt Stimmen, die sagen, Sie hätten bei FLUCH DER KARIBIK Ihre ersten Erfahrungen damit? Nein, ich denke viel mehr, dass ich mit meinen 18 Jahren es erstmals bewusst wahrnahm. Es hatte nicht wirklich mit dem Film selbst zu tun, sondern eher mit dieser Welt, in welcher man plötzlich das schöne Mädchen ist. Und sich ebenfalls glücklich schätzen darf, dass man das schöne Mädchen ist. Die Annahme ist, dass man dumm ist. Niemand will hören, was man zu sagen hat, denn schliesslich hat man ja gar nichts zu sagen. Sie wollen nur, dass man da ist und schön aussieht. Deshalb war es eher der erste Moment, in welchem es mir richtig bewusst wurde. Sowieso ist 18 Jahre oder vielleicht heute etwas früher mit 16 Jahren, der Zeitpunkt, wo einem Mädchen klar wird, dass sie nur basierend auf ihrem Äussern positiv oder negativ beurteilt wird.

Sie haben recht. Nichts gegen schöne Frauen, doch es hat in der Tat etwas, dass automatisch Dummheit impliziert wird… Mich persönlich schockierte diese Tatsache sehr. Denn ich war immer eine der besten Schülerinnen in meiner Schulzeit. Ich kam also aus der Schule, wo ich zu den Besten der Besten gehörte und daher jeweils nach meiner Klugheit beurteilt wurde in die Welt. Dort hiess es dann plötzlich ich sei schön, aber daher sicherlich dumm. Ich denke, dass ist etwas, dass 18-jährige Jungen nie erlebten.

Wie haben Sie selbst reagiert, als Sie begannen zu realisieren, was geschieht, wurden Sie wütend oder… Ja klar, wurde ich wütend. Man hadert jahrelang damit. In diesem Film gibt es mehrere Momente, wo mir gefallen, weil man es sehen kann. Beispielsweise ist sie an der Universität in einem Raum voller Männer und wird als erstes nach Ihrer Kinderbetreuung gefragt. Das ist etwas, dass ebenfalls nie einem Mann geschehen würde. Danach als sie tatsächlich an der Universität studiert, will sie in der Klasse vorsprechen, wird jedoch wortwörtlich von den Männern gehindert. Das ist sicherlich eine Situation, welche schon viele Frauen erlebt haben (schmunzelt). Je älter man wird, desto mehr lernt man mit solchen Situationen umzugehen. Man beginnt zu verstehen, dass man nicht wirklich dumm oder verrückt ist. Sondern, dass die Gruppe der Männer zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht willig ist, die Ansicht einer Frau anzuhören. Wenn man älter wird, lernt man seine Stimme hörbar zu machen. Das ist jedoch sicher nichts, dass man von der Schule lernt (lacht).

Sie selbst sind Mutter von Töchtern, wie denken Sie, werden Sie ihnen diese Dinge erklären? Beispielsweise, wenn sie wie das Mädchen im Film beginnen zu Posen. Ich denke, man muss einfach stets darüber sprechen. Meine Mädchen sind im Moment noch etwas jung, eins ist 4 Jahre alt und das andere 5 Monate. Doch es beginnt in der Tat schon in diesem Alter. Sie lernen den Sinn über ihren Wert und die Rechte, die sie über ihren eigenen Körper haben. Beispielsweise, dass sie das Spielzeug nicht aufgeben muss, nur weil der Junge sie umgestossen hat. Oder dass sie nicht immer nett sein muss, wenn jemand schrecklich zu ihr ist. Hoffentlich tendiert es nicht zur Gewalt, jedoch ist es erlaubt jemandem zu verbieten den Körper anzufassen und beim weiteren Bedrängen gar wegschubsen. Vieles was ich im Moment mit meiner älteren Tochter anschaue, sind physische Rechte. Und die Tatsache intelligent zu sein. Sie ist ein sehr kluges Mädchen. Also sage ich ihr auch: «Du bist sehr clever» und versuche zu vermeiden «Du schaust hübsch aus in diesem pinken Kleid». Klar, zwischendurch mache ich es doch, weil sie toll aussieht (lacht). Das Gleichgewicht muss stimmen.

Man versucht bereits früh den Jungen beizubringen, dass sie den Mädchen nicht nur sagen, dass sie hübsch aussehen, sondern ebenfalls, dass sie klug sind? Das ist etwas, dass mich interessiert. Wir sagen unseren Mädchen immer, dass sie freundlich und bedacht sein sollen. Doch den Jungen sagen wir dies nicht, zumindest nicht in der gleichen Art. Diese Tatsache interessiert mich wirklich. Ich merke, dass ich selbst das oft tue. Bis ich dann feststelle, dass ich gar nicht nett sein muss, wenn er mich herumgeschubst hat. Ich sollte im stattdessen sagen, dass es überhaupt nicht akzeptabel ist. Wenn ich an die Menge denke, wie oft wir uns entschuldigen. Es beginnt wirklich schon im kleinsten Alter, wenn man Mädchen sagt, dass sie nett und ruhig und alles andere sein sollen. Sie haben das Recht, auszurufen, wenn sie jemand anfasst in einer Art, die ihnen nicht gefällt.

Wenn ich fragen darf, in unserem letzten Interview erzählten Sie, dass Sie in Therapie waren. War dies in dieser Zeit, als Sie mit sich und anderen Dingen haderten? Es war etwas später. Doch ich denke, vieles was in dieser Zeit geschah, habe ich in der Therapie aufgearbeitet. Das ist etwas, dass viele Mädchen und Frauen irgendwann machen, denke ich. Das sollten sie auch meiner Meinung nach. Sich mit dieser verrückten Welt und den doppelten Standards befassen und beschäftigen. Es ist eine komplizierte Welt und war es vermutlich schon immer für Frauen. Wir wissen nicht wie die Regeln sind und doch wird uns immer gesagt, dass wir sie brechen. Oder dass wir nicht erreichen, was wir erreichen sollten. Wir werden zu anderen Standards als Männer gehalten und das ist sehr schwer zu navigieren.

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